Der Biotech-Sektor war eine der großen Enttäuschungen der Anleger im Jahr 2022. Mit kolossalem Schwung hatten vor allem die Impfwerte den Sektor lang dominiert, doch mit Auslaufen der Pandemie war dann auch das Ende der Fahnenstange erreicht. Das Mainzer Vorzeigeunternehmen BioNTech schaffte den Verzwanzigfacher seit Emission mit der einzigartigen „Comirnaty“-Story zusammen mit Pfizer, ein Milliardengeschäft für die Protagonisten. Wer nicht schnell genug war oder auf das falsche Pferd setzte, kam erst gar nicht in den Genuss der großen Aufwertung, sondern brach nach der ersten Spekulationswelle sofort ein. Wo liegen nun die Chancen im Jahr 2023? Wir schauen erneut auf die Branche.

BioNTech und Moderna – Das klingt nicht gut

Die Aktien von BioNTech (NASDAQ: BNTX, WKN: A2PSR2, ISIN: US09075V1026) und Moderna BioNTech (NASDAQ: MRNA, WKN: A2N9D9, ISIN: US60770K1079) waren die Shooting-Stars aus der COVID-Hochzeit 2021. Beide Aktien legten in der Spitze 400% zu. Mit diesem Vorlauf ging es dann in das Jahr der Konsolidierung. Parallel hatten die Regierungen weltweit ihre Corona-Maßnahmen gelockert oder die Pandemie sogar für beendet erklärt. Die Kurse der Platzhirsche gerieten erheblich unter Druck, konnten sich aber gegen Jahresende stabilisieren und knapp gehalten aus dem Markt gehen. Wie sieht es für die Impfriesen im laufenden Jahr aus?

Zuerst die gute Meldung: Beide Konzerne profitieren nach wie vor von den üppigen Vorbestellungen an Impfstoff, welche erst im Jahr 2023/24 zur Auslieferung kommen. In eilendem Gehorsam hatten die EU-Gesundheitsminister geordert, was die Haushalte verkraften konnten. So hat das Bundes-Gesundheitsministerium unter Spahn und später Lauterbach bis dato rund 13,1 Mrd. EUR ausgegeben haben. Zur Auslieferung stehen daher immer noch über 400 Millionen Impfdosen auf der Bestellliste, die jetzt wohl nicht mehr verimpft werden – ein Milliardengrab.

Nun die schlechte Meldung: Mitten in der Corona-Pandemie sollen die Biotech-Riesen Moderna und BioNTech richtig Kasse gemacht haben. Das teilte das Gesundheits-Ministerium auf Nachfrage der Presse mit. Denn nicht jede Impfdosis hatte den gleichen Preis, wie aus Dokumenten vorgeht. Just auf dem Höhepunkt der Pandemie wurden die Preise trotz gleichbleibender Kosten wohl anbieterseitig um knapp 50% erhöht. Gegenüber dem Steuerzahler eine regelrechte Abzocke in der Not, wenn die Vorwürfe stimmen sollten. Weiterhin auch interessant für den Wähler und Steuerzahler, wäre nach diversen Masken-Affären auch die Offenlegung der jeweiligen Kontraktpartner innerhalb der „Vakzinen Lieferkette“.

BioNTech und Moderna tun gut daran, schnellstens Aufklärung zu leisten. Die BioNTech-Aktie ist nach ihrem Spitzenwert bei rund 460 USD im Jahr 2022 ruhig in das laufende Jahr gestartet und liegt mit 132 EUR aktuell noch 5% im Hintertreffen. Ein Skandal würde dem Kurs sicherlich nicht helfen, eine positive Auflösung der Umstände aber sicherlich. Moderna hat ebenso stark verloren, liegt aber im laufenden Jahr schon wieder vorne, denn der Impfstoff „mRNA-1345“ hat vielversprechende Ergebnisse für eine Zulassung im Bereich RSV-Virus gezeigt. Diese Grippe stellt sich jüngst als Schwere Atemwegserkrankung und folgt den Risiken der Corona-Pandemie auf dem Fuße. Die Bewertung der Unternehmen steht und fällt mit der aktuellen Pipeline, die sich mit jeweils rund 20 Mrd. USD in der Kasse gut voranbringen lässt.

Defence Therapeutics – Der Senkrechtstarter im Portefeuille

Warum manche Menschen Krebs bekommen und andere nicht, ist bis heute noch nicht geklärt. Allerdings weiß man inzwischen, dass sich die Krankheit aufgrund schädlicher Erbgutveränderungen entwickeln kann. Jährlich erkranken etwa 500.000 Menschen neu an der bislang unheilbaren Krankheit, Tendenz steigend. Das kanadische Biotechnologie-Unternehmen Defence Therapeutics (CSE: DTC, WKN: A3CN14, ISIN: CA24463V1013) hat mit der ACCUMTM-Plattform eine patentierte Technologie entwickelt, welche in der aktuellen Krebsforschung große Hoffnung macht.

Der Kern der DTC-Plattform besteht in der AccumTM-Technologie, welche einen präzisen Transport von Impfantigenen oder ADCs in intakter Form zu den Zielzellen ermöglicht. Als Folge davon können eine verbesserte Effizienz und Wirksamkeit gegen schwere Erkrankungen wie Krebs und Infektionskrankheiten erreicht werden. Zuletzt meldete das Unternehmen die Erteilung eines US-Patents über die Verwendung von Accum™ als sogenannter Drop-In-Verstärker zur Steigerung der Immunogenität und Leistungsfähigkeit nahezu aller zellbasierten oder Protein-Impfstoffe. „Die Erteilung des Patents ebnet uns den Weg, neue, sichere und effektive Impfungen und Wirkstoffe in den Bereichen Krebs und Infektionskrankheiten zu entwickeln“, kommentiert Sébastien Plouffe, CEO von Defence Therapeutics und verweist auf die große Flexibilität des Wirkstoff-Verstärkers Accum™.

Aufgrund seines beeindruckenden präklinischen Erfolgs bei protein- und antikörperbasierten Medikamenten beabsichtigt Defence Therapeutics nun, seine vielseitige AccumTM-Technologie in die Entwicklung von Krebsimpfstoffen einzubinden. Nach Voraussagen von Precedence Research wird der Markt für mRNA-Therapeutika bis zum Jahr 2030 voraussichtlich einen Wert von 128 Mrd. USD übersteigen und in diesem Zeitraum ein durchschnittliches jährliches Wachstum (CAGR) von über 13% verzeichnen. Gemeinsam mit einem europäischen Partner steht bei den Kanadiern im Fokus, eigens entwickelte mRNA-Impfstoffe gegen Krebs mit seiner Accum™-Technologie zu kombinieren und in einer Studie gegen den Impfstoff ohne Accum™ antreten zu lassen. Diese Untersuchung soll zeigen, dass die Accum™-Technologie geeignet ist, die Wirksamkeit von Vakzinen und anderen Stoffen zu verbessern. Parallel sind Phase-1-Studien rund um Hautkrebs, Lymphdrüsenkrebs, Brustkrebs und Dickdarmkrebs geplant. Zusätzlich steht eine Phase-1-Studie rund um das hochdosierte AccuTOX™ an, welches als Chemotherapeutikum bei Lungenkrebs eingesetzt werden soll.

Erst in der letzten Woche meldete das innovative Unternehmen aus Kanada, dass bei der Validierung seines ARM-Impfstoffkandidaten bei einem Melanom-Modell mit einer Heilungsrate von 60% erreicht werden konnte. Defence setzte hierbei eine Variante von AccumTM (A1) ein, um mesenchymale Stromazellen („MSCs“) so zu reprogrammieren, dass diese sich wie antigenpräsentierende Zellen verhalten. Dieser Universalimpfstoff konnte Tiere mit bestehenden Tumoren heilen, wobei die hierbei festgestellte therapeutische Wirkung zusammen mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor „anti-PD-1“ einen Synergieeffekt auslöste. Die geimpften Tiere überlebten und die große Mehrheit dieser Tiere stießen den Tumor ab und blieben für mehr als 3 Monate tumorfrei.

Auf der Grundlage dieser überzeugenden Ergebnisse und der damit offensichtlichen therapeutischen Validierung setzt Defence die Aktivitäten bei diesem Impfstoff weiterhin mit Hochdruck fort. Das aktuelle Programm wurde gemäß demselben Protokoll wie für eine potenzielle klinische Phase I-Krebsstudie vorbereitet, wobei das Melanomzellen-Lysat eingesetzt wurde, um den ARM-Impfstoff vor der Impfung zu verstärken. „Dieses Experiment stellt einen wichtigen Schritt in unserem Fortschrittsplan dar, da es zeigt, dass der ARM-Impfstoff von Defence gegen jeden beliebigen Krebstyp eingesetzt werden kann“, erklärte Herr Plouffe, der CEO von Defence Therapeutics.

Die Produktion des ARM-Impfstoffs soll im ersten Quartal 2023 aufgenommen werden, um in Q3/Q4 eine klinischen Phase I-Krebsstudie für die Behandlung von Patienten mit soliden Tumoren zu starten. Zusätzlich wird gemeldet, dass die GLP-Studien für eine neue intranasale AccuTOXTM-Formulierung gestartet wurden. Dieser Meilenstein ist entscheidend für den Beginn einer Phase-I-Studie für dieses Medikament zur Behandlung von Lungenkrebs. Das AccuTOXTM-Molekül kann Krebszellen über verschiedene Mechanismen vernichten, darunter die Auslösung des immunogenen Zelltods, Stress des endoplasmatischen Retikulums und die direkte Schädigung der DNA. Bei Tests in drei verschiedenen Tiermodellen für solide Tumore kontrollierte die Substanz das Tumorwachstum und wirkte synergistisch mit verschiedenen kommerziell eingesetzten Immun-Checkpoints. Defence unterzeichnete einen Dienstleistungsvertrag mit Adgyl Life Sciences, einem führenden Auftragsforschungsinstitut für Arzneimittelentwicklung, um seine intranasale AccuTOXTM-Formulierung mit einem medizinischen Sprühgerät zu testen.

„Der Abschluss dieser GLP-Tox-Studien parallel zum Beginn einer Phase-I-Studie zu AccuTOXTM als Injektionspräparat für solide Tumore wird es Defence ermöglichen, wichtige Meilensteine zu erreichen, die im Jahr 2023 erreicht werden sollen. Durch den Nachweis hervorragender Sicherheits- und Verträglichkeitsprofile bei beiden AccuTOXTM-Formulierungen (injizierbar und intranasal) ist Defence auf dem besten Weg, ein führendes Biotech-Unternehmen auf dem Gebiet der Immunonkologie und Krebstherapeutika zu werden, das über einen Leitwirkstoff mit einem breiten Spektrum an therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten verfügt“, sagt Herr Plouffe, CEO von Defence Therapeutics.

Die DTC-Aktie ist in der Rückschau mit plus 300% einer der besten Biotech-Werte der letzten 4 Monate. Sie hat sich seit unserer letzten Besprechung mehr als verdoppelt und handelt mittlerweile ein vielfaches Volumen in Kanada wie auch in Deutschland. Die Marktkapitalisierung hat zuletzt die 100 Mio. EUR-Grenze überschritten, damit steht die Aktie nun auch auf dem Radar von institutionellen Investoren. Die Biotech-Story kann also ungehindert neue Rekorde aufstellen.

Morphosys und Valneva – Auf dem Sprung zurück in die Liga?

MorphoSys (FRA: MOR, WKN: 663200, ISIN: DE0006632003) hatte Ende November eine verpatzte Studienreihe mit Roche zu Alzheimer veröffentlicht. Der Kurs ging innerhalb von 24 Stunden mit minus 40% bis auf rund 14 EUR gewaltig auf Tauchstation und fiel in der Folgezeit sogar unter 12 EUR. Anfang des Jahres 2023 gab es nun Neuigkeiten zum wichtigsten Hoffnungsträger Pelabresib, einem Wirkstoff gegen Knochenmarkkrebs (Myelofibrose). Die seltene Krebsart ist schwer behandelbar, ein Durchbruch auf diesem Gebiet wäre für jedes Unternehmen ein großer wirtschaftlicher Erfolg. Wie aus der Firmen-Präsentation im Rahmen der JP Morgan Health Care Conference in San Francisco hervorgeht, zeigten die Daten zu Pelabresib in Kombination mit dem Wirkstoff Ruxolitinib bei der Erstlinienbehandlung tiefgreifende und dauerhafte Verbesserungen sowohl des Milzvolumens als auch der Symptomwerte zum Teil bis hinein in die 72. Woche nach Verabreichung. Auch bestätigte MorphoSys frühere Angaben, wonach Pelabresib eine mögliche krankheitsmodifizierende Wirkung haben könnte. Das ergibt sich aus der Analyse der Biomarker.

„Mit Pelabresib haben wir die großartige Möglichkeit, den Therapiestandard bei Myelofibrose zu verbessern und den Einsatz auf andere myeloische Erkrankungen auszudehnen, in denen ein hoher medizinischer Bedarf besteht“, sagte CEO Jean-Paul Kress.

Die Studien-Ergebnisse zu Pelabresib sollen bereits Anfang 2024 verfügbar sein, auf eine Zulassung hofft MorphoSys im Jahr 2025, das wäre dann das zweite eigene Medikament des früheren Auftragsherstellers. MorphoSys schreibt wegen seiner kostspieligen Forschung seit Jahren rote Zahlen und steht deshalb unter großem Erfolgsdruck, denn auch beim Umsatzbringer Monjuvi zeigt sich mit zunehmender Konkurrenz, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.

Nach starken Abverkäufen hatte die MorphoSys-Aktie im Vorjahr fast 70% Verlust erlitten. Die US-Investmentbank Morgan Stanley senkte Anfang Januar ihr Votum von „Equalweight“ auf „Underweight“ und revidierte das Kursziel von 17 auf 12,50 EUR. Seit dem Tief bei rund 11,80 EUR hat der Kurs aber stark nach oben gedreht und macht sich auf in Richtung 20 EUR. Auf dem Weg dorthin lauern noch einige Widerstände, helfen könnte bei guten fundamentalen Nachrichten allerdings die ausgiebige Shortquote von derzeit etwa 3% des Kapitals. MorphoSys hatte im Hoch 2020 ganze 146 EUR erreicht, momentan notiert sie 50% unter dem Barmittelbestand. Technisch steht der Wert genau an der 200-Tage-Linie. Folgen sie dem Ausbruch, wenn er denn mit hohen Umsätzen kommen sollte.

Der Impfstoff-Hersteller Valneva (Euronext: INRLF, WKN: A0MVJZ, ISIN: FR0004056851) konnte sich bislang noch nicht von seinem Ausverkaufs-Niveau um 6 EUR erholen. Die Aktie war mit einem Minus von 60% einer der großen Verlierer aus 2022 Die jüngsten Meldungen zu einem potentiellen COVID-Booster wollen die Anleger nicht so recht begeistern, das Thema lockt auch keine Neuinvestoren mehr an. Interessant könnte allerdings die FDA-Antragstellung Jahren sein beim Chikungunya-Impfstoffkandidaten VLA1553 für Personen ab 18 Jahren sein, denn das Unternehmen meldete aus seinem Phase-3-Programm kürzlich positive Daten zur Antikörperpersistenz mit einer 99%igen Zeroresponse-Rate 12 Monate nach einer Einmalimpfung. Chikungunya hat eine große Bedrohung für die öffentliche Gesundheit, welche durch infizierte Moskitos auf den Menschen übertragen wird, und es gibt derzeit weder einen Impfstoff noch eine spezifische Behandlung für die Krankheit. Die FDA wird den Antrag nun auf seine Zulässigkeit hin prüfen und festlegen, ob er für eine vorrangige Prüfung in Frage kommt und welches Datum sie für den Abschluss ihrer Bewertung anstrebt. Die Valneva-Aktie ist nur für die Watchlist geeignet, denn im Laufe des Jahres dürfte auch eine größere Refinanzierung anstehen. Einen kurzfristigen Ausbruch sehen wir nicht.

„FAZIT“

Die Börse ist in Feierlaune. Viele Anleger wollen das verlustreiche Jahr 2022 gedanklich so schnell wie möglich abhaken und gehen mit Elan in die stark gefallen Titel des Vorjahres. Schöne Initial-bewegungen gibt es derzeit bei Defence Therapeutics und MorphoSys, sie sind die klaren Favoriten. BioNTech, Moderna und Valneva konnten die Investoren aber noch nicht hinter dem Ofen hervorlocken, da fehlt es an Phantasie oder guten Meldungen. Bei Zunahme des Momentums kann immer noch aufgesprungen werden, die Bäume wachsen nicht sofort in den Himmel.

Verfasst von nebenwerte ONLINE Redaktion

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